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  • AutorenbildSissy

Abschied vom Traumkind

Wenn man sich in das Abenteuer Elternschaft begibt, dann hat man seine ganz eigenen Vorstellungen davon, wie das Familienleben aussehen soll. Man erinnert sich an die eigene Kindheit, an all die Dinge, die schön waren; ebenso an die Dinge, die nicht so schön waren und die man anders machen möchte.


Und in diesem Moment, in dem erfährt, dass man ein Kind unter dem Herzen trägt, beginnt man auch damit, sich den zukünftigen Erdenbürger vorzustellen. Man fragt sich, welche Haar- und Augenfarbe er oder sie haben wird, welchem Elternteil das Kind wohl ähnlicher sein wird. Man stellt sich vor, wie wohl der Moment der Geburt werden kann und soll, die ersten Tage und Wochen danach. Man malt sich sein Familienleben aus - und ein Stück weit auch das werdende Kind.


Doch was ist, wenn der Traum vom Familienleben so gar nicht dem entspricht, was man sich erträumt hat?


Denn manchmal kommen Kinder mit einem Temperament auf die Welt, welches sämtliche Wünsche und Pläne durchkreuzt. Sie sind dann vielleicht besonders bedürfnisstark, benötigen sehr viel mehr Aufmerksamkeit als alle Babys, die man je im Bekanntenkreis hatte. Vielleicht sind es gefühlsstarke Kleinkinder, die dem Begriff "Autonomiephase" eine ganz neue Dimension verleihen. Sie machen es unmöglich, mit Freunden im Café zu sitzen und einen Latte Macchiato zu trinken, während das Baby im Wagen friedlich schlummert. Sie geben einem nicht die Gelegenheit, mehr als 15 Minuten in Ruhe am Tisch zu sitzen während eines Familienessens. Sie fordern einen auf eine Art und Weise, bei der man manchmal denkt "Das hat mir keiner gesagt!" oder "Hätte ich das mal vorher gewusst!"


Und manchmal fällt es unheimlich schwer, dieses Kind, dieses Familienleben - welches man sich ganz anders vorgestellt hat - vollumfänglich anzunehmen. Es fällt schwer, zu akzeptieren, dass es ganz anders gekommen ist als erhofft oder als es einem alle erzählt haben oder man es bei Freunden und Bekannten beobachtet hat. Man hat das Gefühl, man wurde um die wunderschöne Babyzeit gebracht.


Bewusst loslassen


Es ist wichtig, sich bewusst zu werden, dass Hoffnungen und Träume nicht immer erfüllt werden. Genauso wichtig ist es, sich bewusst zu werden, dass man selbst keine Schuld trägt, dass man den Kindern das Temperament nicht anerziehen kann oder die Babys durch Verwöhnen so werden. Denn man kann Babys - insbesondere im ersten Lebenshalbjahr - nicht verwöhnen. Und mit Liebe und Nähe kann man sowieso gar niemanden verwöhnen.

Es ist wichtig, sich deutlich zu machen, dass das einfach die Persönlichkeit des Kindes ist - eine starke, intensive Persönlichkeit, die unter den richtigen Umständen zu einer großartigen erwachsenen Persönlichkeit wird.


Es ist wichtig, Abschied zu nehmen - von jenem Traumkind, welches man sich am Beginn der Reise in die Elternschaft vorgestellt hat. Von jenem Familienleben, welches man sich erhofft hatte. Von alledem, was einen darin blockiert, sein Kind so anzunehmen wie es eben ist.


Abschiedsritual


Es macht Sinn, diesen Abschied gemeinsam vorzunehmen. Gemeinsam als Eltern, gemeinsam als Paar. Denn immerhin hat man die Reise gemeinsam angetreten und gemeinsam geträumt.


Schreibt gemeinsam auf, wie ihr Euch Euer Familienleben vorgestellt habt. Schreibt auf, wie ihr Euch Euer Kind ausgemalt habt. Wie ihr Euch selbst als Eltern gesehen habt.


Und dann verabschiedet Euch. Lasst all die unerfüllten Träume los. Vielleicht möchtet ihr das Papier zerreißen oder verbrennen? Vielleicht möchtet ihr auch weinen? Geht nach Eurem Gefühl, was Euch beim Abschied hilft.


Positive Gedanken


Nun schaut auf die Ist-Situation. Macht Euch bewusst, was alles schön ist an Eurem Familienleben, in welchen Bereichen sich vielleicht doch die eine oder andere Hoffnung erfüllt hat. Schaut Euch Euer Kind an, wie wunderbar es ist. Welche wertvollen Eigenschaften es mitgebracht hat, auch wenn diese Euch (noch) in den Wahnsinn treiben. Schaut auf die Zeit, die hinter Euch liegt, die fordernden Phasen, die ihr gemeistert habt.


Wiederholt das immer wieder. Denn manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, weil Negatives im menschlichen Hirn so viel präsenter bleibt als Positives. Und manche Träume gehen vielleicht einfach etwas später in Erfüllung als erwartet.


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